Der Historiker  Ilko-Sascha Kowalczuk:

Eine beeindruckende Zeitreise gegen das Vergessen und vor allem gegen die Verharmlosung des mörderischen Mauerstaates, gegen den SED-Staat und eine flammende Rede für die Freiheit, gegen die Diktatur.






In der öffentlichen Wahrnehmung fehlt heute oft die Anerkennung dessen, was diese Menschen geleistet haben. Sie waren der Motor für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Uwe Schwabe, Bürgerrechtler

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Rebellion hinter der Mauer“ – lange Haare und Heavy Metal

Vier Jungs und eine Jugend im Halle a.d. Saale der 1980er - davon handelt die Graphic Novel „Rebellion hinter der Mauer“. Maik Adam und Dirk Mecklenbeck erzählen darin ihr eigenes Leben.

01. März 2024, 17:00 Uhr •Leipzig

Ein Artikel von

Ute Grundmann

Etwas Farbe im grauen Alltag: die Flagge ziert das Cover des Buches. In der Graphic „Rebellion hinter der Mauer“ erzählen Raik Adam und Dirk Mecklenbeck ihre Geschichte und wie sie als Jugendliche die DDR erlebt haben.

© Foto: Ch. Links Verlag/Aufbau Verlage

Mit dem Ausreiseantrag beginnt es, am Ende wird ein junger Mann der DDR den Rücken kehren, gen Westen. Eine Graphic Novel erzählt eindringlich, wie sich vier Jugendliche gegen Repression und Gängelei wehren, eine "Rebellion hinter der Mauer" anzetteln. Nietengürtel, Jeansjacke und lange Haare genügen schon, um in den 1980er Jahren in der Schule angefeindet zu werden, von Mitschülern und Lehrern gleichermaßen.

Als dann noch die Stasi in die Schule kommt, ist der Direktor mehr um deren Ruf als um die Jugendlichen besorgt und schaut so grimmig wie das Lenin-Bild an der Wand. Die Welt in Halle an der Saale und anderswo in der DDR ist so grau wie Raik Adam und Dirk Mecklenbeck sie zeichnen, Schwarz-Grau-Weiß dominieren, Farbflecke gibt es eher selten, mal für den sauren Regen, mal für ein SED-Parteiabzeichen.

Heavy Metal-Konzert in Bitterfeld

Von Raik und seinem Bruder Andreas sowie ihren Freunden Dirk und Heiko erzählt das großformatige Buch. Das lauteste Mittel ihres Protestes gegen Parolen und Einengung ist die Musik - als sie zu einem Heavy Metal-Konzert nach Bitterfeld fahren, sieht das, samt Volkspolizisten auf dem Bahnsteig, so aus wie die Ausreisezüge über Dresden. Doch bis dahin werden noch Jahre vergehen.

"Widerstehen" heißt das erste der zunächst kurzen Kapitel, symbolisiert durch eine zur Faust geballte US-Flagge. Die trägt auch Raik auf seiner Jacke und muss sie auf Druck der Stasi abtrennen. Doch die Vier wehren sich weiter gegen den "Kommunistenscheiß", den sie lernen sollen und gegen Streber-Schüler.

Das ist mit feinen Linien gezeichnet, zwischen die rechteckigen Bilder mischen sich mal Ovale; als sie sich mit Flaschenwürfen gegen die Polizei vor der Kneipentür wehren, springt die Tür fast aus dem Bild. In kurzen Begleittexten wird der ideologische Hintergrund einzelner Szenen erläutert.

Es lohnt sich, auf die Details zu achten: Da wird aus einem Wahlzettel eine Friedenstaube, marode Häuser dienen als Unterschlupf für die Freunde, als sie sich vor der Staatsmacht verstecken müssen. "Das sind bestimmt solche Panker oder Häwi Mätels", hallt es aus dem Fenster.

Denn die lässt nicht locker, sogar Großeltern werden streng verhört; die Mienen verbissener, das Stasi-Deutsch immer gestelzter, das penibel gezeichnete Gebrüll lauter. Auch deshalb werden aus Sprechblasen, mit denen die Geschichte erzählt wird, immer mal Gedankenkreise. Weil die jungen Männer etwas nicht laut aussprechen wollen oder, wie der zum Wehrdienst verdonnerte Heiko, von einem zerbrochenen Maschinengewehr träumen.

Fotos dokumentieren die ersten Jahre im Westen

Die "Zeit der Entscheidung" symbolisiert ein wiederum grauer Wachtturm, nicht nur die Vier haben Angst vor den Schüssen an der Mauer. Den entgehen sie zwar, nicht aber NVA-Drill (mit Nietenjacke und Helm), Schikanen bei der Abgabe des "rechtswidrigen Ausreiseersuchens" und Isolierungslager.

In verschiedenen Jahren und auf unterschiedlichen Wegen gelingt es ihnen schließlich, die DDR ("das ist nicht unser Land") zu verlassen. Die ersten Jahre im Westen werden dann nicht gezeichnet, sondern mit Fotos dokumentiert - ein kleiner Bruch in einem sonst sehr spannenden Zeitdokument.

Raik Adam, Dirk Mecklenbeck: „Rebellion hinter der Mauer“. Ch. Links Verlag 2024, 128 Seiten, 15 Euro



"Der richtig geile Comic-Scheiß kommt aus dem Ch. Links-Verlag."

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